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'Wie glücklich doch die Menschen sind, die einen Glauben haben!'

vor 4 Tagen in Kultur, 1 Lesermeinung
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Aus Langeweile besuchte der französische Schriftsteller Paul Claudel am 25. Dezember 1886 die Notre-Dame. Dort traf ihn wie ein Blitz die Erkenntnis, dass Gott existiert. Von Petra Knapp.


Paris (kath.net) 25 DECEMBRE 1886. CONVERSION DE PAUL CLAUDEL. MAGNIFICAT. Diese Inschrift auf dem Marmorboden der Pariser Kathedrale Notre Dame erinnert an einen besonderen Moment in der französischen Geschichte. Der 18-jährige Paul Claudel (1868-1955) hatte am Christtag im Jahr 1886 das Weihnachtshochamt in der Kathedrale besucht. Nachmittags kam er sogar nochmals, eher aus Langeweile, und verfolgte die Vesper mit.

Der junge Mann, der später ein berühmter Schriftsteller, Dichter und Diplomat werden sollte, las Arthur Rimbauds Höllen-Dichtungen („Saisons en enfer“, „Illuminations“), war seit der Erstkommunion ohne Glauben und war zutiefst verzweifelt. Was er in Notre Dame erlebte, beschrieb er später mit folgenden Worten:

„In einem Nu wurde mein Herz ergriffen, ich glaubte. Ich glaubte mit einer so mächtigen inneren Zustimmung, mein ganzes Sein wurde geradezu gewaltsam emporgerissen, ich glaubte mit einer so starken Überzeugung, mit solch unerschütterlicher Gewissheit, dass keinerlei Platz auch nur für den leisesten Zweifel offenblieb, dass von diesem Tage an alle Bücher, alles Klügeln, alle Zufälle eines bewegten Lebens meinen Glauben nicht zu erschüttern, ja auch nur anzutasten vermochten.


Ich hatte plötzlich das durchbohrende Gefühl der Unschuld, der ewigen Kindschaft Gottes, das Gefühl einer unaussprechlichen Offenbarung. Schon öfter habe ich den Versuch angestellt, die Minuten zu rekonstruieren, die diesem außergewöhnlichen Augenblick folgten; dabei stoße ich auf eine Reihe von Elementen, die indessen nur einen einzigen Blitz bildeten, eine einzige Waffe, deren die göttliche Vorsehung sich bediente, um endlich das Herz eines armen verzweifelten Kindes zu treffen und sich den Zugang zu ihm zu verschaffen: ,Wie glücklich doch die Menschen sind, die einen Glauben haben! Wenn es wirklich wahr wäre? Es ist wahr! Gott existiert, er ist da. Es ist jemand, es ist ein ebenso persönliches Wesen wie ich! Er liebt mich, er ruft mich.‘“

Das Abendgebet habe Claudel berührt, bemerkt Fr. Michael Rennier in einem Beitrag auf „Aleteia“. „Bei jeder Vesper singt die Kirche die Worte der Gottesmutter bei der Verkündigung. Ihr Magnificat hallte von dem steinernen Innenraum wider wie ein Wiegenlied für das Christuskind. Das war der Moment, in dem Claudel wusste, dass er katholisch war. Ihre Worte erweckten neues Leben in ihm, und er wusste, dass er zu Hause war. Er wusste, dass er in den Armen seiner Mutter war.“

Es sei die Schönheit der Liturgie, welche Claudel so angezogen habe, ist Rennier überzeugt. „Es gab keinen besonderen Trick oder eine Überredungstaktik, keine Videoserien oder Broschüren. Es war die Liturgie der Kirche, die ihn ansprach.“ Er selbst habe eine ähnliche Erfahrung, als er als Nichtkatholik eine katholische Messe besuchte und von der Schönheit überwältigt war.

„Die Liturgie der Kirche hat etwas Anziehendes und Einladendes an sich. Weihnachten ist natürlich eine magische Zeit des Jahres mit all den kulturellen Traditionen und dem familiären Beisammensein. Ich kann mich jedoch nicht des Eindrucks erwehren, dass wir das Fest unter all den Launen, der Dekoration und dem Backen deshalb so sehr lieben, weil wir, wenn wir den Schleier auch nur ein wenig zurückziehen, erkennen, dass das Fest die Verlängerung des Herzens einer Mutter ist, die ihre Kinder in die Arme nimmt.“

Claudel sei stets erstaunt gewesen über die Schnelligkeit seiner Bekehrung, die wie ein Blitzschlag war. Später schrieb der Schriftsteller darüber: „Es war der düsterste Wintertag und der dunkelste regnerische Nachmittag über Paris...“ Er erinnert sich noch genau, dass er in der Nähe der zweiten Säule am Eingang zum Altarraum stand, als das Magnificat gesungen wurde.

„Die Tatsache, dass er stand, ist ein interessantes Detail. Für mich zeigt es, dass er noch ein Besucher in diesem Raum war“, schreibt der Autor. „Er fühlte sich noch nicht wohl genug, um niederzuknien und zu beten, um es sich gemütlich zu machen und eine Weile zu bleiben.“

Claudels Haltung änderte sich jedoch augenblicklich, als Gott ihm seine Existenz offenbarte. In einem seiner Gedichte („Oden“) nimmt er diesen Moment auf und schreibt über das Magnificat: „Es ist die Stunde, in der man innehält und bedenkt, was man getan hat/ und wie sein Werk mit dem des Tages verbunden ist.../ das Magnifikat zur Vesperzeit, wenn die Sonne/ die ganze Erde misst.“

Die Erfahrung vom 25. Dezember 1886 habe sie unauslöschlich in sein Gedächtnis eingebrannt, „so wie jeder von uns lebendige Erinnerungen an seine eigene Mutter und die Nähe, die wir mit ihr geteilt haben, hat“, hält der Autor fest. „Das ist es, was Claudel fühlt, ein unzerstörbares Band, das am Weihnachtstag entstand, als er in ihre Arme genommen wurde.“


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Lesermeinungen

lesa vor 2 Tagen:

Danke für den Bericht, Frau Knapp!

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